Die Stadt macht den Weg zum Kompromiss frei

Enger. In der aktuellen Auseinandersetzung um das Verfahren zur Aufnahme von Schülern am Engeraner Widukind-Gymnasium (WGE) (die NW berichtete) scheint sich ein Kompromiss anzubahnen, der zumindest bis zum Beginn des nächsten Schuljahres 2007/08 eine Lösung des Konfliktes beinhalten würde.

Der Schulausschuss der Stadt Enger hat am Dienstagabend einstimmig einen Beschluss gefasst (s. Artikel Der Beschluss des Schulausschusses vom 11. April 2006 im Wortlaut), der die bisherige Position der Stadt noch einmal bekräftigt. Da der Stadtrat wegen der Ferien nicht umgehend zusammentreten kann, haben Bürgermeister Klaus Rieke und der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Friedhelm Kirchhoff, gestern nach Auskunft von Rieke einen Dringlichkeitsbeschluss unterschrieben, der diesen Ratsbeschluss ersetzt.

Die Stadt legt Wert auf die Feststellung, dass es ausdrücklich erwünscht sei, auch auswärtige Kinder am WGE aufzunehmen. Durch die Erweiterung von vier auf fünf Züge im Jahr 2000 sei die Stadt ihrer schulpolitischen und schulrechtlichen Verantwortung für die „Schulregion Enger/Spenge“ in vorbildlicher Weise gerecht geworden. Allein für Kinder aus Enger würde ein dreizügiges Gymnasium reichen, was andererseits bedeutet, dass rund ein Drittel der Schüler am WGE aus anderen Gemeinden kommt.

Die Stadt bleibt auch bei ihrer Auffassung, dass es bei der Auswahlentscheidung wegen eines Anmeldeüberhangs dazu kommen müsse, Kinder aus Enger in einer Punkteskala mit einem Bonuspunkt zu versehen. Insofern wird dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 3. April (die NW berichtete) widersprochen, da Kinder nicht wegen ihres Wohnortes, sondern wegen der begrenzten Aufnahmekapazität abgelehnt würden. Erneuert wird auch die Aussage, dass die Stadt Enger „pauschal gerechnet ca. 1,5 Millionen Euro pro Jahr für das WGE aufwendet“.

Um erneute Unterschiede in der Auslegung der Kapazitätsgrenzen zu vermeiden, wie sie in diesem Jahr zwischen Schulleitung und Stadt aufgetreten waren, bekräftigt die Stadt als Schulträger die Begrenzung auf die Fünf-Zügigkeit, gerade auch wenn wie in den Vorjahren in Einzelfällen nur vier Klassen gebildet wurden, oder sich nachträglich weniger als fünf Parallelklassen pro Jahrgang ergeben.

Genau aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht jetzt der Auffassung von Schulleiterin Brigitte Binke-Orth zugestimmt, dass noch Kapazitäten an der Schule vorhanden seien.

Darüber hinaus erkennt die Stadt die alleinige und eigenverantwortliche Zuständigkeit der Schulleiterin beim Auswahlverfahren an. Gleichwohl gibt sie Empfehlungen, deren Berücksichtigung sie in das Ermessen von Binke-Orth stellt. Dieses tut sie gerade wegen der zu erwartenden hohen Affinität zwischen Schulträger und Schulleitung. Dieses sei die Intention des Ratsbeschlusses von 2000 gewesen. Und dieser Umstand sei auch allen Beteiligten seit 2000 bekannt gewesen.

Auf Anfrage der NW erklärte Bürgermeister Rieke gestern, dass die Stadt aber durchaus auch die Situation der 13 in diesem Jahr abgelehnten Kinder berücksichtige. Aus diesem Grund gelte der neue Beschluss erst ab dem Schuljahr 2007/08.

Abzuwarten bleibt nun, wie Schulleitung und Bezirksregierung mit den insgesamt 13 bisherigen Ablehnungen weiter verfahren werden. Die Bezirksregierung lehnte gestern auf Anfrage der NW jede Stellungnahme mit Hinweis auf das noch schwebende Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ab. Denkbar scheint, dass die Behandlung der Widersprüche an die Schulleitung zurückgegeben wird, wenn der Beschluss Rechtskraft erlangt. Möglich wäre dann die ausnahmsweise Bildung einer sechsten Eingangsklasse oder die weitere Erhöhung der Klassenstärken.

Bei einer dreizügigen Sekundarstufe I sind Klassenstärken bis zu 35 Kindern möglich. Ab der Vierzügigkeit gilt ein Richtwert von 30 Kindern pro Klasse. Bei ihrer bisherigen Entscheidung in diesem Jahr mit den 13 Ablehnungen hatte die Schulleitung allerdings entgegen den Bestimmungen des Schulgesetzes bereits 31 Kinder zugelassen und die Bezirksregierung hat in diesem Fall sogar 32 Kinder pro Klasse toleriert. Dabei sind sich alle Beteiligten einig, dass aus pädagogischen Gründen schon 30 Kinder pro Klasse zu viel sind.

Wie das Problem mittelfristig gelöst werden kann, bleibt dennoch vorerst offen. Der Trend der Eltern zu einem möglichst hohen Schulabschluss auf dem Papier ist ungebrochen und wird sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung besonders auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt eher weiter verstärken. Im benachbarten Oberzentrum Bielefeld fehlt bereits jetzt ein komplettes Gymnasium. Und auch dort müssen die bestehenden sieben städtischen Gymnasien bis zum Schuljahr 2011/12 gut 11 Prozent mehr Kinder aufnehmen. Die Hoffnung auf gerade rechtzeitig sinkende Jahrgangsstärken scheint eher ein Trugschluss zu sein.