Engeraner Rat startet mit Geschäftsordnungsdebatte

Enger. Es war wieder einmal der "Tag der Gärtner" in der Engeraner Kommunalpolitik. Zum Auftakt einer jeden Legislaturperiode wechseln die frischgebackenen Parlamentarier ein paar schöne Worte und vor allem Blumensträuße ohne Ende. Alle beglückwünschen sich gegenseitig, einigen sich auf viele gute Vorsätze. Und so war es am Donnerstag in der ersten Ratssitzung wie immer in den letzten 30 Jahren. In jeder Beziehung.
Denn schon beim ersten inhaltlichen Tagesordnungspunkt in der konstituierenden Sitzung zerfiel der neu gewählte Rat der Stadt Enger in die beiden sattsam bekannten Lager. Wieder einmal abgesprochene Strategie statt argumentative Auseinandersetzung? So baut man Fronten auf und nicht etwa ab.
Inhaltlich gab’s eigentlich noch nichts zum Streiten. Also musste die Geschäftsordnung herhalten. Und zwar die, die man sich am Beginn der neuen Ratsperiode am Donnerstag erst einmal geben wollte.
Man glaubt es kaum: Doch gleich zum Auftakt einer zumindest denkbaren gemeinsamen Anstrengung im Interesse der Stadt und ihrer Bürger leisten sich die Feierabendpolitiker eine Geschäftsordnungsdebatte. Und wir wären nicht in Enger, wäre sie nicht selbstverständlich kontrovers verlaufen.
Nun kann man 25 Jahre systematisch angezettelte Kontroverse auch in der Politik nicht einfach aus den Kleidern schütteln. Und so geschah es, dass sich der neue Vorsitzende der CDU-Fraktion und Nachfolger des inzwischen im Kreis eher glücklosen Wolfgang Aßbrock, der neue starke Mann der Engeraner CDU Friedhelm Kirchhoff, an das alte, lieb gewonnene Feindbild hielt. Es gab sofort wieder Streit mit Bürgermeister Klaus Rieke.
Der überzeugend wiedergewählte Ratschef hatte sich erdreistet vorzuschlagen, die Geschäftsordnung des Rates in einem einzigen Punkt abzuändern. Künftig will er für sich ein Initiativrecht installieren, nach dem er – im übrigen wie ein Fünftel der Mitglieder oder eine Fraktion – inhaltliche Punkte auf die Tagesordnung eines jeden Ausschusses des Stadtrates bringen könnte. Hier hatte es in der letzten Legislatur hin und wieder Streit mit Aßbrock gegeben.
Rieke meint, dass es sich dabei im Grunde um eine Selbstverständlichkeit handele. Bezogen auf die Organstellung des Bürgermeisters in der kommunalen Verfassung müsse die Verwaltung die Chance haben, über ihren Chef für die parlamentarische Beratung jederzeit inhaltliche Vorschläge zu machen.
Wenn die Gremien dann anderer Auffassung seien, könnten sie diese Tagesordnungspunkte jeweils ohne weiteres sofort wieder absetzen.
CDU und FDP sahen das anders. Sie vermuteten einen möglichen Konflikt mit den $ 58,2 oder 57,4 der Gemeindeordnung, wonach der Bürgermeister die Tagesordnung stets "im Benehmen" mit dem Ausschussvorsitzenden festlegen soll.
Der neue CDU-Chef Kirchhoff räumte freimütig ein, dass er bereits die parteiinternen Beratungskräfte der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) in Anspruch genommen habe, weil die CDU in Enger über keinen Juristen verfüge.
Er wolle sich aber "nicht aus dem Fenster hängen", bevor er nicht eine schriftliche Stellungnahme der christdemokratischen Hausjuristen vorliegen habe. Weil er die Position dann wieder zurücknehmen müsse. Die CDU werde sich enthalten.
Enthaltung bei der Abstimmung übte auch die FDP. Denn auch Berthold Dessin wollte die Angelegenheit nicht abschließend inhaltlich beantworten. Doch die Liberalen hätten sich gewünscht, dass Klaus Rieke dieses Thema im Vorfeld in interfraktionellen Gesprächen auf die Tagesordnung gesetzt hätte, bevor es die Öffentlichkeit erreichen konnte.
Gerd Bockermann (SPD) und Regina Schlüter-Ruff (Grüne) rückten geradezu reflexartig ebenfalls sofort in Reih und Glied. Somit stehen die Fronten schon wieder fest. Beide Fraktionen halten das aktuelle Ansinnen des Ratsvorsitzenden und Bürgermeisters für "selbstverständlich", die Inhalte der politischen Diskussion in seiner Stadt mit beeinflussen zu wollen. Bockermann sah darin auch eine "Erleichterung der Arbeit" und eine "Chance, unnötigen Streit zu vermeiden".
In den Nachbarstädten Herford, Bünde und Spenge schütteln Insider den Kopf, wie man eine derartige Frage überhaupt kontrovers diskutieren könne. Auf Anfrage der NW erklärte Spenges Bürgermeister Christian Manz: "Das ist doch der Normalfall. Ich muss doch über die Verwaltung Denkanstöße und Anregungen geben können. Sonst können wir in den Ausschusssitzungen doch oft gleich wieder nach Hause gehen."
Und auch in den anderen Städten gehört es zu den parlamentarischen Selbstverständlichkeiten, dass der Rats- und Verwaltungschef, also der Bürgermeister entsprechend seiner Organstellung in den Kommunalverfassung Tagesordnungspunkte für die Sitzungen der Ausschüsse einbringen kann.
Nachdem SPD und Grüne die neue Gemeindeordnung bei Enthaltung von CDU und FDP beschlossen hatten, schmunzelte Klaus Rieke immer noch leicht irritiert: "Ich habe hier doch kein Ermächtigungsgesetz vorgeschlagen."