Enger. Bei Stimmenthaltung von CDU und Grünen aus völlig unterschiedlichen Gründen haben SPD und FDP am Dienstag im Planungsausschuss beschlossen, nun auch für den westlichen Teil des Windfeldes einen Bebauungsplan aufzustellen. Die Ratsmehrheit aus CDU und FDP hatte bisher nur das Verfahren für den östlichen Teil der Fläche angeschoben, die demnächst in der Nähe der Innenstadt mit einer großen Wohnbausiedlung bebaut werden soll. Bisher hatte es sich hier insgesamt um einen "städtebaulichen Rahmenplan" gehandelt, der in zwei Teile aufgeteilt war. Da hier mit den Firmen BockermannFritze Design-Haus aus Enger und Werretal aus Herford zwei Investoren gleichzeitig antreten, handelte es sich bei der Entscheidung der Mehrheit nach Auffassung der Verwaltung, von SPD und Grünen sowie von zwischenzeitlich eingeschalteten Rechtsanwälten der Fa. Werretal um eine rechtswidrige Bevorzugung der Fa. Bockermann. Und da die Werretal-Anwälte bereits mit Schadensersatzansprüchen gedroht hatten, waren die Mehrheitsfraktionen zuletzt bemüht, möglichst ohne Gesichtsverlust zurück zu rudern.
Wäre die Mehrheit bei ihrer bisherigen Beschlusslage geblieben, für die Fläche der Fa. Werretal nur einen Vorhaben- und Entwicklungsplan (VEP) zuzulassen, hätte die Fa. Bockermann bei der Vermarktung der Fläche auf dem Grundstücksmarkt einen erheblichen Zeit- und somit finanziellen Vorteil erlangt.
Auf Anfrage der NW erklärte Geschäftsführer Dr. Klaus Bockermann, dass sein Unternehmen an einer derartigen Bevorzugung überhaupt nicht interessiert sei. Vielmehr sei Werretal in diesem Zusammenhang sogar Kunde von BockermannFritze, da sein Unternehmen ohnehin die Planung für die gesamte Fläche erarbeitet habe. Was wiederum auch ein weiterer Hinweis darauf ist, dass beide Teilpläne von Anfang an im Zusammenhang gesehen wurden.
Die Fa. BockermannFritze hat sämtliche Flächen für den Teilplan I von den Erben des ehemaligen Engeraner FDP-Fraktionsvorsitzenden Martin Rethwilm gekauft. Die Fa. Werretal musste wegen der Flächen für den Teilplan II mit sechs Eigentümern verhandeln. Die Erschließung und erfolgreiche Vermarktung eines attraktiven neuen Wohnquartiers dieser Größenordnung in der Nachbarschaft des Oberzentrums Bielefeld dauert erfahrungsgemäß mehrere Jahre, wobei erhebliche Finanzmittel eingesetzt werden müssen. Im Zuge der politischen Beratungen sollen in Enger Gerüchte in Umlauf gebracht worden sein, die Fa. Werretal könne nicht über sämtliche Grundstücke in Teilbereich II uneingeschränkt verfügen und es gebe Probleme mit der Liquidität. Diese Gerüchte seien inzwischen durch das Unternehmen eindeutig widerlegt und zurückgewiesen worden.
Der CDU-Sprecher im Planungsausschuss, Friedhelm Kirchhoff, wies daher am Dienstag darauf hin, dass die CDU/FDP-Politik innerhalb und außerhalb des Rathauses für erhebliche Aufregung gesorgt habe. Doch ebenso wie Angela Franke von der FDP bleibe die CDU im Grundsatz bei ihrer Entscheidung. Die Rechtsposition der Fa. Werretal wollten beide Politiker nicht verstehen, bzw. anerkennen, sie sei nicht zutreffend. Gleichwohl müsse es in der Angelegenheit weiter gehen. Wenn der bisherige Teilplan II eine andere Bebauungsplan-Nummer bekomme, wolle sich die CDU der Stimme enthalten.
Vertagungsbeschluss wegen Befangenheit rechtswidrig?
Angela Franke zeigte sich durch das Rechtsgutachten der Fa. Werretal nicht beeindruckt. Und sie gab zu bedenken, ob es im Interesse der Stadt sein könne, dass ein reiner Erschließungsträger wie die Fa. Werretal Grundstücke eventuell nicht für die sofortige Bebauung, sondern möglicherweise als Geldanlage verkaufe. Deshalb habe sie im März den Vertagungsantrag gestellt.
Hier erinnerte die Grünen-Sprecherin Ingeborg Balz daran, dass die Werretal-Anwälte diesen Vertagungsbeschluss wegen der Mitwirkung eines CDU-Ratsmitgliedes für rechtswidrig halten, das Grundstückseigentümer im Windfeld-Teilbereich I ist. Hier habe eindeutig Befangenheit vorgelegen, zumal der Ratsherr ansonsten in Sachen Windfeld von selbst nicht an den Beschlussfassungen teilgenommen habe.
Für die SPD erklärte ihr Sprecher Gerd Bockermann, dass seine Fraktion in diesem Fall "die Kurve etwas eher bekommen" habe, weil sie die Hintergründe auch eher gesehen habe. Die SPD sei grundsätzlich für die Bebauung des Windfeldes, sie halte die Lage für neue Wohnhäuser in der Nähe von Schulen und anderen Infrastruktureinrichtungen für ausgezeichnet. Im vergangenen September habe sich jedoch auch die SPD leider durch die Mehrheit in ihrer Meinungsbildung beeinflussen lassen. Jetzt aber sei klar, dass beide Erschließungsträger gleichberechtigt und gleichzeitig an den Start gehen müssten. Diese Konkurrenz sei darüber hinaus gut für die Käufer. Um Chancengleichheit für beide Firmen zu schaffen, müsse umgehend ein Dringlichkeitsbeschluss gefasst werden, wie von der Verwaltung vorgeschlagen.
Ingeborg Balz erinnerte für die Grünen daran, dass ihre Fraktion die Bebauung des Windfeldes aus ökologischen und stadtklimatischen Gründen auch weiterhin grundsätzlich ablehne. Es handele sich um ein wertvolles Naherholungsgebiet für die Engeraner. Gleichwohl würden die Grünen die Entscheidung akzeptieren. Nicht akzeptieren würden sie jedoch die Erschließung von Teil I nur über die Spenger Straße.
Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die große Siedlung, die eben als Einheit zu verstehen sei und auch von den Planern so gesehen werde, keine Verbindung zur Sattelmeierstraße haben solle.
Grundsätzlich erklärte Balz, dass durch die bisherige Beschlussfassung der Mehrheit die Fa. Werretal benachteiligt worden sei. Hier sei versucht worden, "einseitig in den Wettbewerb einzugreifen".